Schulden gehören in der Schweiz immer öfter zur Normalität. Bei einem Teil der Schweizer Bevölkerung besteht das Verschuldungsrisiko bereits länger als die Hälfte ihres Lebens. Der Radar 2019, die heute veröffentlichte Studie der Intrum AG, zeigt auf, wo diese Entwicklung ihren Anfang nimmt, wie Schulden die Menschen über Jahrzehnte begleiten und wie sich ein «Leben auf Pump» in der Gesellschaft immer weiter etabliert.
Die Verschuldungsrisiken in der Schweiz verändern sich – leider nicht zum Guten. Prägten die hiesige Schuldenlandschaft noch vor wenigen Jahren eindeutig lokalisierbare Gipfel, sind heute die Risiken für punktuell wachsende Schuldenberge weniger vorhanden. Deutlich aber verbreitert sich ihre Basis. Die Verschuldungsrisiken treffen nicht mehr nur einzelne, klar umgrenzte Gruppen, sondern zunehmend ganze Gesellschaftsschichten.
Schulden als Begleiter durch das halbe Leben
Das Verschuldungsrisiko ist heute bei Menschen zwischen 18 Jahren bis Mitte 40 durchgehend überdurchschnittlich hoch. Schon immer bargen die jungen Jahre zwischen 18 und 25 das höchste Verschuldungsrisiko. Doch bisher wurden diese «Jugendsünden» mehrheitlich bis gegen das Ende des dritten Lebensjahrzehnts abgebaut. Die aktuelle Entwicklung ist alarmierend: Statt sichtbar zu sinken, hat sich die Hochrisikophase um ein weiteres Jahrzehnt verlängert. Ernst zu nehmen ist auch die schwächelnde Verschuldungsresistenz der 45- bis 70-Jährigen. Zwischen 2012 und 2018 sank der Indexwert im Schnitt um rund 20 Punkte. «Schulden über Jahre mitzutragen erschwert in vieler Hinsicht den Aufbau dauerhaft stabiler Lebensverhältnisse», stellt Thomas Hutter, Managing Director der Intrum AG, fest. «Da viele bereits in jungen Jahren in die Schuldenspirale geraten, ist es wichtig, dass möglichst früh und auch auf pädagogischer Ebene der sorgfältige Umgang mit Geld vermittelt wird».
Risikofaktor «Lebensform» – Gegenmittel «Ausbildung»
Mehrheitlich schuldenfrei sind Paare und Familien, sie weisen ein geringeres Verschuldungsrisiko auf. Sie profitieren als Mehrpersonenhaushalte oft von Doppeleinkommen und können sich zudem die Fixkosten teilen. Singles sind einem weit höheren Verschuldungsrisiko ausgesetzt: Gesamthaft liegt ihr Risikowert bei 38, bei den 18- bis 25-Jährigen liegt er sogar bei 96. Bei Alleinerziehenden zeigte sich im Verlauf der letzten sieben Jahre eine markante, sehr erfreuliche Reduktion beim Verschuldungsrisiko. Dies könnte darauf hindeuten, dass vermehrt beide Elternteile gut ausgebildet sind und trotz Familienzuwachs berufstätig bleiben, sodass auch bei einer allfälligen Trennung die oder der Alleinerziehende einen grösseren finanziellen Spielraum hat.
Eng verknüpft sind Verschuldungsrisiko und Ausbildungsgrad. Erwerbstätige, deren Ausbildungsgrad sich auf das Obligatorium beschränkt, sind einem rund viermal höheren Verschuldungsrisiko ausgesetzt als solche mit mittlerem oder gar hohem Ausbildungsgrad. Da Unternehmen zunehmend auf Fachkräfte setzen und Stellen für weniger gut Qualifizierte ausgelagert werden oder durch die Digitalisierung wegfallen, gilt es, die Entwicklung dieses Risikofaktors im Auge zu behalten.
Eng verknüpft sind Verschuldungsrisiko und Ausbildungsgrad. Erwerbstätige, deren Ausbildungsgrad sich auf das Obligatorium beschränkt, sind einem rund viermal höheren Verschuldungsrisiko ausgesetzt als solche mit mittlerem oder gar hohem Ausbildungsgrad. Da Unternehmen zunehmend auf Fachkräfte setzen und Stellen für weniger gut Qualifizierte ausgelagert werden oder durch die Digitalisierung wegfallen, gilt es, die Entwicklung dieses Risikofaktors im Auge zu behalten.
Jugendverschuldung: Am Ende vom Geld ist oft noch viel vom Monat übrig
In einer Gesellschaft, in der das «Will-auch-haben»-Gefühl merklich zunimmt, ist die Bereitschaft, sich dafür zu verschulden, bei den Jungen – speziell bei den Jüngsten – noch immer besonders hoch. Auffällig ist, dass vor allem in der Altersgruppe 18–25 das Verschuldungsrisiko bei jungen Männern deutlich höher ist als bei Frauen. Ein weiterer erstaunlicher Unterschied tut sich in den Sprachregionen auf: Während in der deutsch- und der französischsprachigen Schweiz das Verschuldungsrisiko junger Menschen zwischen 18 bis über 33 Jahre auf durchschnittlichem Niveau konstant ist, birgt die italienische Schweiz ein weit überdurchschnittliches Risiko für die Altersgruppen 18 bis 25 und 33+.
Bei den im Jahr 2018 bei Intrum eröffneten Fällen zeigt sich, dass prozentual die Anzahl der Fälle, bei denen der Rechtsweg beschritten wurde, leicht abgenommen hat. Trotzdem sind die Zahlen in allen Altersklassen relativ hoch: Insbesondere bei den Jüngsten führen fast die Hälfte aller Falleröffnungen zu rechtlichen Schritten. Bei der ältesten Altersgruppe scheint sich immerhin abzuzeichnen, dass mit ihnen meistens vor oder während dem Rechtsweg eine Lösung gefunden wird – im Gegensatz zu den Jüngsten, wo die Verlustscheinquote bei 21 % liegt.
Quelle: Intrum AG